Wutanfall erlaubt!

Ein sommerlicher Nachmittag. Du, deine Mama, deine Schwester und ich treffen uns bei dir zuhause. Schon beim Öffnen der Tür höre ich Geschrei und sehe die verdrehten Augen deiner Mama. Ja du hast einen Wutanfall, ziemlich heftig. Mama wollte dir für die Familienreportage doch so gerne noch den anderen Pulli anziehen und dir hat das so gar nicht gefallen. Auch als es für deine Mama völlig okay war, dass du die Kleider anlässt und den anderen Pulli wieder in den Schrank räumte, wars irgendwie für dich schon passiert. Dann komm ich, die Fotografin, die du noch nie gesehen hast und stecke mittendrin in diesem verletzlichen Moment. Deine Mama versucht einen Weg zu finden dir aus der Wutspirale rauszuhelfen, denn mittlerweile bist du nass geschwitzt und dein Kopf ist knallrot. Ich bin reingeplatzt in die Situation und beobachte alles erstmal, suche zwischendurch Augenkontakt, signalisiere dir Verständnis und sende dir Zuspruch. All das hilft erstmal nicht und so startet unsere Familienreportage sehr holprig mit einem zwanzigminütigen Wutanfall. 

Du, liebe Mami, liest diesen Text und hast Angst vor genau solch einer Situation, was dich irgendwie davon abhält eine Familienreportage zu buchen. Weißt du ich bin selbst Mama von zwei Kindern, die gerne ihren Willen durchsetzen und mich auch oft zur Verzweiflung bringen. Wollen wir bei diesen Momenten nicht alle am liebsten keine Zuschauer haben? Doch hör dir die Geschichte erstmal bis zum Schluss an.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass eigentlich nur eins hilft: Verschiedene Möglichkeiten testen, sich rantasten und das Wichtigste GEDULD. Gelöst habe ich die Situation mit Quatschgerede. Ja du bist gerade 4 Jahre alt und verstehst sehr gut was ich dir erzähle. Als ich anfange vorzuschlagen den Tisch mit Fingerfarben anzumalen findest du einen Ausweg aus deiner Bubble, langsam aber sicher, nimmst du Kontakt mit mir auf und beruhigst dich von Minute zu Minute mehr. Deine erste Reaktion war ganz klar: „Mama, man darf doch den Tisch nicht anmalen.“ So kam eins zum Anderen und wenige Minuten später konnte ich dir die Frage stellen: „Sollen wir jetzt ein paar coole Fotos bei deinen Hühnern machen?“. Was glaubst du, liebe Mitlesende, hat er geantwortet? „Mama, anderer Pulli, bitte, anziehen.“ 

Fotografin zu sein heißt Fingerspitzengefühl zu zeigen, einfühlsam und lustig zum richtigen Zeitpunkt. Reportagenfotografin bringt einen weiteren Punkt mit: viel Geduld und Ruhe. 

  Schau dir die Fotos an. Glaubst du jetzt immer noch es ist das Risiko nicht wert?